HOFHEIM - Kaum ein Instrument ist unter so vielen verschiedenen Namen bekannt und so vielfältig in seinen verschiedenen Bautypen wie das Akkordeon. Dabei hat es eine kurze Geschichte (etwa ab 1830) und hat seine Präsenz in der Musik eigentlich erst im 20. Jahrhundert entfalten können. Es ist im Wesentlichen ein Volksinstrument geblieben, und in diesem Sinne populär gestaltete sich auch das Herbstkonzert des 1. Hofheimer Akkordeon Vereins Lyra von 1893 e. V. am Samstagabend in der Stadthalle.
Das Motto des Abends lautete „Von Bühne und Film“. Zu verstehen waren darunter eine bunte Zusammenstellung von Filmmusiken und Musical-Sequenzen sowie ein kurzer Ausflug zur Oper und ins Konzert.
Es gibt Filme, die leben nicht nur mit, sondern auch von ihrer Filmmusik. Das gilt besonders für die Western. „The Magnificant Seven“ von John Sturges, mit der Musik von Elmer Bernstein, arbeitete noch mit Klischees, dem Pferdegetrappel in der Percussion und eher konventioneller Melodik. Bei Ennio Morricone aber wird die Musik quasi zur Basis des Films, der Italowestern verdankt seinen Erfolg nicht zuletzt seiner Musik.
Die sich ins Weite verströmenden Sehnsuchtsmelodien, der gleichermaßen präsente und doch wieder zurückgenommene Heldenmythos auch in der Musik, all das schafft Atmosphäre und hat Charakter. Gewissermaßen vorweggenommen hat diesen Geist Max Steiner mit „Tara’s Theme„ aus „Vom Winde verweht“. Auch John Williams gehört zu den Meistern der Filmmusik, die mit wenigen klanglichen und melodischen Gesten es verstehen, ein Filmgeschehen zu charakterisieren: am Abend vertreten mit Themen aus „Jurassic Park“ und „Star Wars“. Man erlebt den majestätischen Zug der Dinosaurier, aber auch den Geist der Bedrohung und der Dramatik im Science-Fiction-Epos.
Über dem Interesse am Programm darf der Vortrag der Interpreten nicht vergessen werden. Der Akkordeon-Verein Lyra gliedert sich in ein Schüler- und ein Jugendensemble, ein Erstes und ein Zweites Orchester, sowie ein „Ensemble“ genanntes Akkordeonquintett. Das Schüler-Ensemble wurde erst vor vier Wochen gebildet und zeigte dafür unter der Leitung der engagierten Birgit Heyne ein erstaunlich gutes Zusammenspiel mit Themen aus „Charlie und die Schokoladenfabrik“.
Das Jugendensemble mit dem Aufmarsch der Saurier aus Jurassic Park, mit klangschönen Momenten aus „Aladin“ und dem rauen Gesang der Seeleute und ihrer gespenstischen Kontrahenten in der Filmmusik zu „Fluch der Karibik“ zeigten die Entwicklung, den Erfolg, den die die Arbeit in einem Ensemble (wieder unter der Regie von Birgit Heyne) nehmen kann. Das Zweite Orchester, geleitet von Thorsten Kolar, brachte mit Szenen aus dem Musical „Cats“ einen ersten wirklichen Höhepunkt. Spielerische Leichtigkeit und Finesse in der Charakterisierung, ein gewisser Swing überzeugten. Der breite Orchesterklang bei Morricone, das passte im klanglichen Aufbau und ebenso der musikalische Charakterwechsel bei den Melodien von Santiano, mit ihren nordischen Zügen, mit Anklängen an irischen Folk und Shanty-Gesänge.
Den größten Anteil am mehr als zweistündigen Programm hatte das Erste Orchester, geleitet von Dr. Bernhard Wondrak, der zum großen Teil auch die Moderation des Abends übernahm. Hervorzuheben waren hier einige Ohrwürmer aus dem Musical Grease unter anderem von Barry Gibb von den Bee Gees, die klangliche Finesse in Luis Enrique Bacalovs „Il Postino“ sowie unvergessliche Melodien von Frank Sinatra und das abschließende „What a wonderful world“ von Louis Armstrong.
Das Akkordeon-Quintett schließlich brachte mit Themen aus dem Musical „Die Schöne und das Biest“ von Alan Menken etwas von dem französischen Charme ein, das den Zauber dieses Märchenstückes ausmacht. Französische Walzer begleiteten die Szenerie von der Schönen, die durch ihre Liebe zu einem Biest den Zauber über dem Prinzen lösen muss, bevor das letzte Blatt sich vom Rosenstrauch löst.
Hofheimer Zeitung, 2. Dezember 2017