Hofheim. Unter der italienischen Flagge macht in der Stadthalle ein Werk aus der Oper "Der Barbier von Sevilla" den Auftakt. Mit E-Musik werden die Gäste vom 1. Orchester begrüßt - so ist es Usus. Es ist ein Abend, der mit klassischer Musik, Pop-Titeln und Filmmusik Assoziationen an Italien wecken soll, an Urlaubsgefühle, den Lago Maggiore und die fünfziger Jahre, die Wirtschaftswunderzeit, als der Gardasee eines der bevorzugten Urlaubsziele der Deutschen war.
Dr. Bernhard Wondrak, Leiter des 1. Orchesters und Mitglied des Ensembles, versteht es vortrefflich, als Moderator mit kleinen Geschichten und Hintergrundinformationen italienisches Flair zu schaffen. Wie mit der Geschichte von Gioachino Rossini, dem Komponisten des "Barbiers von Sevilla", der angab, drei Mal in seinem Leben geweint zu haben: das erste Mal, als eine Oper von ihm beim Publikum durchfiel, das zweite mal, als er Paganini spielen hörte, und das dritte Mal, als bei einer Bootsfahrt ein mit Trüffeln gefüllter Truthahn über Bord gegangen ist. Sodann stimmt der Solist Björn Reetz leisere Töne an, spielt die Sonate a-Moll von Domenico Scarlatti auf einem besonderen Instrument: Das M3-Akkordeon bietet die Möglichkeit, die Bassknöpfe auf Melodiebass umzuschalten, und ohne dies hätte er seinen Vortrag auch gar nicht meistern können.
Es ist nicht nur die Kunst, das Akkordeon zu spielen, sondern auch die Kunst, Stücke auszuwählen, die dem Instrument gefällig sind. Das ist der Nachwuchsspielgruppe unter der Leitung von Birgit Heyne mit dem Palladio von Karl Jenkins vortrefflich gelungen. Die neun jungen Musiker setzen den ersten Höhepunkt des Abends mit diesem KLassiker der Moderne, dessen Titel sich auf Andrea di Piero della Gondola, genannt Palladio, bezieht. Der Architekt der Renaissance war für symmetrische Baustile bekannt. Ebenso symmetrisch arrangiert ist das Musikstück.
Das 2. Orchester unter Leitung von Thorsten Kolar steigerte den Eindruck mit dem Gefangenenchor aus Verdis Oper "Nabucco" mit präzisen Einsätzen, einem dymanischen Spiel, das Höhepunkte setzt, und einer konsequenten Takt-Führung. Und auch das Rondò-Veneziano-Stück kommt in seiner Beschwingtheit dem Instrument entgegen.
Das fünfköpfige Ensemble entführt zu den Klassikern Italiens, zu denen man gemeinhein auch "O Sole Mio" zählt, das seine Wurzeln aber eigentlich in Russland hat, wie Wondrak erläuterte. Der neapolitanische Musiker und Komponist Eduardo Di Capua hatte die Melodie bei einer Gastspielreise durch Russland von einem persischen Teppichhändler gehört. Das Stück wird als so typisch für Italien gesehen, dass es im Jahr 1920 bei den Olympischen Spielen in Antwerpen sogar als Ersatz für die italienische Nationalhymne gespielt wurde, die nicht aufzufinden war. Die "Tarantella" lässt die Zuhörer mitschwingen. Und beim sinfonischen Intermezzo von Pietro Mascagni gelingt das sanfte Vorspiel mit so viel Fingerspitzengefühl, bevor das 1. Orchester einen dicken Klang-Teppich legt, auf dem die Melodie mäandert.
Für die Melodien aus dem weltbekannten Mafia-Thriller "Der Pate" legt Wondrak den Bild-Teppich: "Stellen Sie sich vor: Eine italienische Piazza, ein Auto biegt um die Ecke, bremst, Scheinwerfer blenden, Schüsse fallen und dann Stille." In diese Stille setzt das Akkordeonspiel ein und erinnert an Robert de Niro und Al Pacino in Francis Ford Coppolas Meisterwerk. Der für Freunde der Akkordeonmusik gelungene Abend endet mit Italo-Hits und einem flotten Marsch.
Höchster Kreisblatt, 30. November 2012